Zitat

Die hiesige Empfindlichkeit grenzt ans Pathologische. Der Weg des satirischen Schriftstellers ist mit Hühneraugen gepflastert. Im Handumdrehen schreien ganze Berufsverbände, Generationen, Geschlechter, Gehaltsklassen, Ministerien, Landsmannschaften, Gesellschaftsschichten, Parteien und Haarfarben auf. Das Wort ‘Ehre’ wird zu oft gebraucht, der Verstand zu wenig und die Selbstironie – nie. 

Das wird und kann die Satiriker nicht davon abhalten, ihre Pflicht zu erfüllen. ›Sie können nicht schweigen, weil sie Schulmeister sind‹, hab ich in einem Vorwort geschrieben, ›- und Schulmeister müssen schulmeistern. Ja, und im verstecktesten Winkel ihres Herzens blüht schüchtern und trotz allem Unfug der Welt die törichte, unsinnige Hoffnung, dass die Menschen vielleicht doch ein wenig, ein ganz klein wenig besser werden könnten, wenn man sie oft genug beschimpft, bittet, beleidigt und auslacht. Satiriker sind Idealisten.‹«


(„Eine kleine Sonntagspredigt. Vom Sinn und Wesen der Satire“ von Erich Kästner. In: DER TÄGLICHE KRAM, Atrium 2013)

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